Was Clickertraining mit Tierversuchen zu tun hat

Was Clickertraining mit Tierversuchen zu tun hat

Was Clickertraining mit Tierversuchen zu tun hat

Tierversuche – die meisten von uns haben in diesem Zusammenhang vor allem arme Laborratten, schreckliche Haltungsbedingungen und schmerzhafte Versuche im Kopf. Wie in aller Welt passt das also mit positiv verstärktem Training und einem gewaltfreien Umgang mit den Tieren zusammen?

Dazu müssen wir zunächst einen Blick auf die gesetzlichen Grundlagen werfen. Seit dem Jahr 2010 gibt es eine EU-Richtlinie, die die Einhaltung des 3R-Prinzips beim Einsatz von Versuchstieren vorgibt.

3 R – das steht für:

Replace (Tierversuche durch andere Verfahren ersetzen, wo es nur möglich ist)
Reduce (Tierzahlen innerhalb stattfindender Versuche reduzieren)
Refine (Bedingungen für die Versuchstiere verbessern)

Der erste Punkt spricht wohl für sich – wo ein Tierversuch umgangen werden kann, ohne dabei auf notwendige medizinische Erkenntnisse zu verzichten, sollte dies geschehen. Da ist auch wenig Spielraum für Clicker- oder sonstiges Training.

Etwas anders sieht es bei den beiden anderen Punkten aus. Die Erkenntnis, dass ein strukturiertes Training den Ablauf von Tierversuchen verbessern kann, ist keineswegs mehr neu.

Besseres Training – weniger Tiere

Je nach Versuchsart kann mit einem verbesserten Ablauf eine gravierend niedrigere Probandenzahl einhergehen. Man stelle sich hier einen völlig harmlosen Versuch (von denen es übrigens ziemlich viele gibt) vor, bei dem das Verhalten von Mäusen untersucht wird. Die Mäuse müssen dabei ein Labyrinth durchlaufen – es soll erforscht werden, ob sie dies fehlerfreier tun, wenn sie vorher einer anderen Maus im Labyrinth zugesehen haben.
Ohne vorheriges Training kann es zum Beispiel passieren, dass einzelne Mäuse bereits durch das Hineinsetzen ins Labyrinth massiv gestresst werden. Sie laufen evtl. gar nicht los oder zeigen durch den Stress eine extrem schlechte Performance. Das ergibt zwar keinerlei Aussage darüber, ob sie bezüglich der richtigen Wegstrecke von ihrer Vorgängermaus gelernt haben, es sorgt aber dafür, dass aus diesen Durchläufen keine auswertbaren Ergebnisse entstehen.

Um solche Ausfälle zu kompensieren und trotzdem auf die statistisch benötigten Zahlen zu kommen, werden bei Tierversuchen üblicherweise einige „Puffertiere“ eingeplant. Dank dieser zusätzlich eingeplanten Tiere, darf ein gewisser Anteil Fehler passieren, ohne dass dadurch gleich das ganze Projekt ins Wanken gerät. Wie hoch der Fehleranteil ist und somit auch wie viele Puffertiere man braucht, hängt stark von der Vorbereitung der Versuchstiere ab. In unserem Beispiel würden Mäuse, die bisher keinerlei Handling gewohnt sind, sicher eine hohe Fehlerquote verursachen. Bei Mäusen, die regelmäßiges freundliches Handling gewöhnt sind, könnte man eine geringere Fehlerquote durch Stress im Handling annehmen. Strukturiertes, positiv verstärktes Training kann den Stress weiter senken und somit die Fehlerwahrscheinlichkeit sowie die benötigte Tierzahl weiter reduzieren.

Mehr Wohlbefinden durch Clickertraining

Neben der reinen Reduktion der Tierzahl sieht das 3R-Prinzip vor, das Wohlbefinden für die Versuchstiere zu verbessern. Clickertraining ist dabei eine weit verbreitete Refinement-Maßnahme, die gleich mehrere Vorteile mit sich bringt.

Auf der einen Seite bringt das Training Abwechslung in die tägliche Laborroutine. Die Ansprüche an die Haltung von Labortieren sind zwar höher, als man auf den ersten Blick annehmen könnte, trotzdem ist das Ausleben natürlicher Verhaltensweisen selbstverständlich im Vergleich zum Wildtier eingeschränkt. Das Clickertraining stellt ein sogenanntes kognitives Enrichment dar und bietet den Versuchstieren völlig unabhängig vom angestrebten Trainingsziel Beschäftigung und geistige Auslastung.

Auf der anderen Seite soll das Training natürlich verschiedenste Handling- und Laborabläufe wie zum Beispiel Probenahmen erleichtern und für die Tiere angenehmer gestalten. In einer Studie1 wurden 12 Mäuse der gleichen Zuchtlinie unter identischen Bedingungen aufgezogen bevor sie ein festgelegtes Trainingsprogramm auf Basis positiver Verstärkung durchliefen. Nachdem zunächst die Futterpräferenz der Mäuse untersucht wurde, wurden mit allen Tieren je drei Verhaltensweisen trainiert: das Laufen durch einen Tunnel, das Verfolgen eines Targetsticks sowie das Betreten der Untersucherhand mit Hilfe eines Targetsticks.

Nach Abschluss des Trainings waren alle weiblichen sowie 83% der männlichen Mäuse in der Lage, die trainierten Aufgaben fehlerfrei zu erfüllen. Alle Mäuse waren hochinteressiert am Training. Ein besonderes Augenmerk wurde auf das Auftreten von Angstverhalten gelegt. Ausgewertete Angstverhalten waren der Absatz von Urin und / oder Kot, sowie Vokalisation im Rahmen des Handlings durch die Untersucher. Die trainierten Mäuse wurden dazu mit einer Kontrollgruppe untrainierter Mäuse verglichen. Bei der Fixation der Mäuse im Nackenfell zeigten sich deutliche Unterschiede zwischen den beiden Gruppen.

Während ca. 55% der untrainierten Mäuse Urin auf die Untersucherhand absetzten, waren es bei den trainierten Mäusen nur ca. 25%. Beim Kotabsatz war der Unterschied sogar noch gravierender (55% und 10%). Auch die Vokalisation war mit ca. 40% der Mäuse in der trainierten Gruppe wesentliche weniger ausgeprägt als bei den untrainierten Tieren, die zu 75% angstbedingt Vokalisation zeigten. Wenn trainierte Mäuse vokalisierten, war dies weniger massiv und kürzer als in der untrainierten Gruppe. Neben der Abnahme von Angstverhalten wurde in der Untersuchung nachgewiesen, dass auch Depressionsverhalten bei trainierten Tieren wesentlich seltener und weniger intensiv auftrat.

Aber ist das wirklich umsetzbar?

Eine Erkenntnis im Rahmen der Studie war, dass sich schnelle Trainingserfolge bei verschiedensten Trainern einstellten. Unerfahrene Trainer hatten zwar Schwierigkeiten, ein präzises Timing bei den schnellen Bewegungsabläufen der Mäuse umzusetzen – trotzdem erreichten auch sie deutliche Trainingsfortschritte und verbesserten das Tierverhalten im Sinne des Tierschutzes.

Die Einhaltung des 3R-Prinzips und somit auch der Einsatz von Refinement-Maßnahmen wie dem Clickertraining sind mittlerweile Bedingung, um einen Tierversuch überhaupt genehmigt zu bekommen. Ich persönlich sehe das als eine sehr positive Entwicklung im Sinne des Tierschutzes an, auch wenn sicherlich weiterhin eine Menge Verbesserungspotential in diesem Bereich besteht. Gleichzeitig frage ich mich, wie es sein kann, dass positiv verstärktes Training im Versuchstierbereich zum Standard wird, im Pferdebereich aber noch immer eine Ausnahme darstellt. Gerade hier, wo dem Einzeltier viel Zeit und Aufmerksamkeit gewidmet werden, sollte es doch möglich sein, sich mit modernen Forschungserkenntnissen auseinanderzusetzen und das Training im Sinne unserer Pferde zu optimieren. Auch ohne gesetzliche Vorgaben und Richtlinien, die uns dazu verpflichten würden.

Von |2022-10-24T07:27:42+02:0023. September 2021|Allgemein|0 Kommentare

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