Die Gesundheit deines Pferdes ist das oberste Ziel einer verantwortungsvollen Haltung. Ein wichtiges Thema dabei ist der Schutz vor Parasiten. Lange Zeit galt es als Standard, Pferde in regelmäßigen Abständen vorbeugend zu entwurmen – unabhängig davon, ob tatsächlich ein Parasitenbefall vorlag. In den letzten Jahren hat sich jedoch insbesondere im Rahmen der zunehmenden Resistenzentwicklung gezeigt, dass diese pauschale Methode mehr Schaden als Nutzen bringen kann. Die selektive Entwurmung ist eine moderne, wissenschaftlich fundierte Methode, die viele Vorteile für die Pferdegesundheit bietet.

Was ist selektive Entwurmung?

Bei der selektiven Entwurmung wird nicht nach festgelegtem Zeitplan entwurmt. Stattdessen werden regelmäßig Kotproben der Pferde auf Wurmeier untersucht. Die Untersuchungsergebnisse werden im Kontext mit anderen Faktoren wie Haltungsbedingungen und Herdenzusammensetzung ausgewertet. Während die meisten Pferde im Laufe ihres Lebens eine Art Immunität entwickeln und kaum Wurmeier ausscheiden, gibt es vereinzelte Hochausscheider, die den Infektionsdruck für alle Pferde erhöhen. Ziel der selektiven Entwurmung ist es, diese Hochausscheider herauszufiltern und zu behandeln. Von der verringerten Ausscheidung profitieren in der Folge alle Pferde. Es erfolgt eine individuelle und bedarfsgerechte Behandlung bei diagnostiziertem Wurmbefall. Selektives Entwurmen bedeutet nicht, dass wir keine oder andere Wirkstoffe einsetzen – es geht nur um den gezielteren Einsatz an den Stellen, an denen er wirklich nötig und sinnvoll ist.

Warum auf zeitgemäße und selektive Entwurmung umsteigen?

  • Vermeiden von Resistenzen
    Durch häufiges und ungezieltes Entwurmen haben Parasiten eine bedrohliche Resistenzlage entwickelt. Ähnlich wie es bei Antibiotika und Bakterien jedem bekannt ist, entstehen besonders widerstandsfähige Würmer, die eine große Gefahr für die Pferdegesundheit darstellen, da gängige Wurmkuren nicht mehr wirken. Gegen einzelne Wirkstoffe liegen regional bereits Resistenzen von 70-90% vor. Der gezielte Einsatz von Antiparasitika verlangsamt die Resistenzbildung, indem insgesamt weniger unnötige Medikamente eingesetzt werden.
  • Schutz der natürlichen Darmflora
    Jedes mal, wenn ein Pferd entwurmt wird, greift das Medikament nicht nur die Würmer sondern auch die natürliche Darmflora des Pferdes an. Eine gesunde Darmflora ist essentiell für das Immunsystem und die Verdauung. Durch die selektive Entwurmung wird das Gleichgewicht im Darm weniger gestört, da Entwurmungen nur gezielt durchgeführt werden.
  • Kostenersparnis
    Obwohl die Kotprobenuntersuchungen regelmäßige Ausgaben bedeuten, sparen Sie langfristig Geld, da unnötige Entwertungen wegfallen. Pferde, die keinen relevanten Parasitenbefall haben, brauchen nicht behandelt zu werden.
  • Umweltschutz
    Wurmkuren sind geeignet, um Würmer abzutöten. Leider eignen sich die Wirkstoffe auch, um viele nützliche Bodenorganismen zu schädigen oder das Trinkwasser zu vergiften. Aus diesem Grund sollten Pferde nach der Entwurmung möglichst nicht auf die Wiese gehen und der Kot unschädlich entsorgt werden. Ein gezieltes Entwurmen bedeutet nicht nur für das individuelle Pferd eine Entlastung, sondern auch für den Boden und die Lebensumgebung des Pferdes.

Aber in den Kotproben werden doch nicht alle Würmer entdeckt, oder?

Viele Pferdebesitzer fürchten, dass durch die selektive Methode ein Parasitenbefall unentdeckt bleiben und schwere Folgeschäden wie z.B. Koliken verursachen könnte. Diese Sorge ist verständlich aber unbegründet, vorausgesetzt die Methode wird korrekt angewendet.

Es ist richtig, dass nicht von allen Parasiten im gleichen Ausmaß Eier mit dem Kot ausgeschieden werden. Deshalb gar keine Proben zu nehmen und einfach mit Wirkstoffen, von denen wir nicht wissen, ob sie überhaupt noch funktionieren, zu entwurmen, ist jedoch nicht die Lösung des Problems. Stattdessen bedarf es eines Konzepts, das die verschiedenen Würmer berücksichtigt, so selektiv wie möglich vorgeht und trotzdem unsichtbare Gefahren berücksichtigt.

Neben Strongyliden und Spulwürmern, die regelmäßig ausgeschieden werden und sich wunderbar nachweisen lassen, gibt es „schwierigere“ Kandidaten wie Bandwurm oder Magendasseln. Diese können nur partiell oder gar nicht im Kot nachgewiesen werden. Während gegen Magendasseln grundsätzlich behandelt werden muss, wenn während der Saison Eier gesichtet werden, kann beim Bandwurm ein Speicheltest zuverlässig Aufschluss über einen Befall geben. Eine richtig durchgeführte Winterbehandlung schützt vor diesen beiden Parasiten und verhindert gleichzeitig das massenhafte Einnisten von Strongylidenstadien in der Darmwand, das im Frühjahr zu Problemen führen kann.

Wie funktioniert die selektive Entwurmung?

  • Kategorisierungsjahr
    Während des ersten Jahres werden vier Kotproben über die Koppelsaison verteilt untersucht. Dieses erste Jahr muss übrigens nicht zwingend einem Kalenderjahr entsprechen. Entwurmt wird bei Überschreiten eines definierten Grenzwertes, wobei anschließend die Wirksamkeit überprüft wird.
  • Einstufung der Pferde
    Anhand der Probenergebnisse des ersten Jahres wird jedes Pferd als Hoch-, Mittel- oder Niedrigausscheider eingestuft. Während Hochausscheider im Folgejahr vier mal entwurmt werden, kann bei Niedrigausscheidern die Frequenz der Probennahme reduziert werden.


Muss der komplette Bestand selektiv entwurmen?

Nein, grundsätzlich ist es auch möglich, Einzelpferde selektiv zu behandeln während die anderen Herdenmitglieder pauschal entwurmt werden. Der positive Effekt, Resistenzen zu vermeiden, wird dadurch aber natürlich reduziert. Es kann also passieren, dass Ihr Pferd resistente Wurmlarven aufnimmt – auch wenn Sie selbst nicht mit Wirkstoffen zu dieser Resistenzentwicklung beigetragen haben.

Ein Wort zum Schluss

Es gibt einen riesigen Hebel, mit dem Sie selbst völlig unabhängig vom Entwurmungskonzept zur Gesundheit aller Pferde beitragen können. Dieser Hebel liegt in der Stall- und Koppelhygiene. Werden Strongylideneier mit dem Kot ausgeschieden, sind diese zunächst noch nicht problematisch. Die Ansteckung erfolgt erst über die infektiösen Larven, die je nach Temperatur innerhalb weniger Tage schlüpft und aus dem Kothaufen auswandert. Wird der Kothaufen vor dem Schlupf entfernt, ist das Infektionsrisiko (auch wenn natürlich immer ein paar Krümel zurückbleiben) schon um ein vielfaches reduziert. Je besser die Hygiene aufgestellt ist, desto weniger Infektionsdruck, desto weniger Behandllungsbedarf und desto weniger Resistenzentwicklung.

Praxisangebot:

Du möchtest mit deinem Pferd oder einem ganzen Bestand in die selektive Entwurmung einsteigen oder erstmal ausloten, ob das Konzept das Richtige für dich ist? Für Beratungen – auch online – stehe ich gern zur Verfügung. Außerdem untersuche ich im Praxislabor Kotproben, wobei ich mich an den Standards der zeitgemäßen selektiven Entwurmung orientiere. Die Proben können unkompliziert vorbei gebracht oder mit bei einem sonstigen Termin mitgegeben werden, sodass unnötiger Versand ans Labor entfällt. Melde dich gern und wir besprechen Details!